Dekalog – der Insider*innenbericht

erschienen am 02. Juni 2020

Thomas Wodianka, Folge 1 & 9

In der Nacht nach der ersten Probe schlafe ich unruhig, wache immer wieder auf. Ich träume von Zahlenkombinationen und Sackgassen. Warum schwitze ich so? Bin ich krank? Nein, mein Gehirn läuft nur wieder an. Die begrenzte Zeit stresst und setzt Energie frei. Vor allem bei den Proben. Entscheidungen werden getroffen. Zweifel werden zerlegt. Entspannt. Wieder alleine versuche ich, die rasende Lähmung zu überwinden. Und dann sitzt da niemand, nur die Kamera ist so nah – zum Glück geführt von Jasmin. Und der hört Christopher. Das ganze wunderbare Team fiebert mit.

Karin Pfammatter, Folge 2

Es war, wie in einen Boxring steigen und nicht austrainiert haben. Und dann spürt man das Herzklopfen und die Angst.

«Theater ist ein Boxring oder eine Messe.» (Zitat Albert Ostermaier)

Theater hält uns die Maske vors Gesicht. Und in der momentanen Situation ist das doch das Beste, was man machen kann.

«Es ist durch nichts erwiesen, dass der Mensch auf der Erde das herrschende Lebewesen ist. Vielleicht sind das ja die Viren, und wir sind nur Material, eine Art Kneipe für die Viren. Der Mensch als Kneipe, eine Frage der Optik.» (Zitat Heiner Müller)

Alicia Aumüller, Folge 3

Für mich war es eine grosse Freude, kurzzeitig wieder zu probieren und zu spielen, und gleichzeitig aber ein unerwarteter Schock, in so ein verändertes Theater zu kommen. Ein für mich eigentlich immer sehr belebter und flirrender Ort war auf einmal fast menschenleer, steril und hallend still.

Theaterspielen ist für mich ein absolut gemeinschaftlicher und verschwendender Moment – mit Mundschutz und 2 Meter Abstand, ohne Partner*innen und mit dem Publikum hinter Bildschirmen hat das nicht viel gemein. Aber ich fand es trotzdem grossartig, so einen Versuch zu starten. Vielleicht auch, um zu merken, wie sehr mir das gemeinsame Theatermachen fehlt und dass es eben irgendwie doch nur zusammen geht.

Wiebke Mollenhauer, Folge 4

Was mich am Theater reizt, ist die Begegnung: Alle im Raum erleben den Moment im Hier und Jetzt und teilen ihn mindestens auf diese Weise. Jetzt darf man nicht in einem Raum sein, also nicht hier. Aber durch den Livestream im Jetzt und durch die Einflussnahme auf die Entscheidung der Spielenden eben irgendwie doch im hier.

Wir konnten nicht viel proben, also mussten alle ein Stück loslassen, an Gedanken, Ebenen, Anspruch, Kontrolle, Perfektion, Verabredungen und einfach vertrauen, dass das auch unperfekt irgendwie was ist. Dabei waren wir ein gutes Team: Trotz Distanz und ultra kurzer Zeit hat sich ein Gefühl entwickelt, dass, obwohl jede Beteiligte sehr viel allein im Flug entscheiden musste, wir das zusammen geschaffen und durchlebt haben.

Ich hatte nie das Gefühl, ich mache irgendwas alleine, auch wenn im Bild nur ich alleine und Hektor, der Hund, waren. Jasmin, der Kameramann, war sowas von da und hat viel Einfluss genommen, z.B. darauf, dass ich offen sein konnte in dieser doch seltsamen Situation. Und ich habe gespürt, dass Christopher da ist und Katinka und Ulf und Natascha und Sultan und Paul und alle Beteiligten; und ich hab mich in das gemachte Nest von ihnen gesetzt und da ein bisschen rumkrakelt.

Matthias Neukirch, Folge 5

Die Unsicherheit jedes Anfangs wird diesmal nicht mit einer Willkommensumarmung überbrückt. Alle tragen ihre Maske schon mit Selbstverständlichkeit und ich bin jetzt dabei auf der Mission: Theater trotzt der Pandemie.

Ich habe das vierte Gebot gesehen und gedacht: «Was? Zwei Proben? Das sieht doch aus, als ob die das schon seit ein paar Jahren spielt». Folge: Verzweiflung, das bekomme ich nie hin. Dann die Generalprobe mit Kamera und plötzlich das Gefühl: Ich bin ja gar nicht alleine, der Kameramann ist ja auch da! Und wie der da ist: Ich fühle mich «getragen».

15 Minuten vorher, «Einlass» – wie habe ich mit den Kollegen gelitten, wenn ich sie als Zuschauer da verschwommen gesehen habe. Jetzt stehe ich selbst da: Seltsam entspannt nervös – ich kann es ja eh nicht mehr ändern und hoffe, dass der Kopf bzw Körper mitmacht, wenn es losgeht.

Nach 40 Minuten: ein von Adrenalin geschwängerter Körper will feiern und umarmen und steht, ein Glas in der Hand, mit ausgestreckter Hand anstossend mit allen erleichterten Teilnehmer*innen in der Halle – Extase sieht anders aus – die Erleichterung ist allerdings premierengross und statt Applaus gibt es Kommentare. Was für ein Ritt, fühlt sich an wie Theater und ist doch keines.

Kay Kysela, Folge 6

Es ist soweit: Kamera schwenkt langsam auf mein Gesicht. Mein Herz pumpt spürbar im Hals. Spüre die Blicke der Zuschauer auf meinem Gesicht. Meine Sommersprossen kriegen Fokus. Was ich mir zurecht gelegt habe, ist zerknüllt. Tausend Gedanken spielen Fangen in meinem Gehirn.

«Hetz, du bisch» und aus dem Gewusel entsteht wieder Sinn.

Lena Schwarz, Folge 6

Für mich war das ein verrückter Prozess: Aus dem teigigen, zeitlosen Quarantäne-Zustand herausgerissen zu werden und ad hoc mit einer Art Premieren-Gefühl konfrontiert zu sein.

Eine schnelle Skizze, nicht wirklich Proben... und dann schickt man es raus ins Netz.

Ein knackiges, abenteuerliches Erlebnis war das... Und es hat grosse Freude gemacht, wieder mit den Kolleg*innen zu arbeiten.

Maja Beckmann, Folge 7

Es gehört mit zum Schönsten, was ich in dieser seltsamen Zeit erleben konnte.
Es ist nicht zu vergleichen, mit Theater.

Es hatte ein bisschen etwas von dem Spirit:
Neugierde als seltener Luxus auf gewohntem Grund.

Das Traurige an unserer Zeit ist nicht, was sie nicht erreicht, sondern was sie nicht versucht.

Josh Johnson, Folge 8

It was spilt in between strange closeness and a stranger distance. The surveillance of a liar who's trying to tell the truth.

I hope I played 8 songs.

Thank you for the experience.

Thomas Wodianka, Folge 1 & 9

Und? Wie ist die Einschaltquote? Wart ihr da?