Das hätte ich gern in einer Schulklasse gesehen

von Tabea Steiner
erschienen am 21. November 2019

Ein Erfahrungsbericht über Greta

Wir besammeln uns abends vor dem Pfauen und gehen hinauf zum Gymnasium RG Rämibühl. Schade, wird das Stück nicht nebenan im MNG Rämibühl gespielt: Dort hat der Konvent unlängst die Forderung der Schülerinnenschaft, den Klimanotstand auszurufen, abgewiesen. Zudem findet an diesem Abend ein Elternabend am MNG statt.

Das Klassenzimmer ist grell erleuchtet, Wandtafel, Ämtliplan, Hufeisen-Sitzordnung. Die Tür fällt auf, Greta kommt! rufen drei Schauspielerinnen, was wir so dumm rumsitzen, wenn gleich die Demo beginne, kurze Erklärung mit Kreideskizze.

Stöhnd uf! chömed mit! Betty weiss schon, was sie auf Insta zum Greta-Selfie schreiben will. Und eine ihrer Reden kam in der Tagesschau, oni Ton aber egal, Alina Superbrain war in der Zeitung, aso min Hinderchopf.

Nur Claudio, den Alina bloss mitgenommen hat, weil das alle sollen, aisundasgitzwai, kännsch, Claudio wird es manchmal zu viel. Vor allem, wenn Alina ständig für ihn spricht, chani sälber? – um dann doch nur zu wiederholen, was Alina gerade über ihn gesagt hat. Eine hübsche Parodie auf die Vorwürfe, die Klimajugend würde Greta alles hinterherplappern.

Überhaupt, Greta. Die Schauspieler*innen, die ihre Teens perfekt geben – eifrig, rotbackig, Predigtstil, auch wenn sie nicht predigen – zitieren Greta. Was für eine Rhetorikerin. Sage noch jemand, die Kids würden auf den Streiks Schulstoff verpassen.

Aber weird ist sie schon, das darf man ja wohl sagen, findet Claudio, und Betty will, dass auch Fleischessende demonstrieren dürfen, und eine der dreien ist immer moralisch. Zu dritt taumeln sie eine Schulstunde lang durch die Hybris der Heranwachsenden, um gleich wieder in totaler Unsicherheit zu versinken (weil die Eltern sie vom Klima-Camp auf der Stadion-Brache abholen, im Jeep, und so fort) – ein Parforceritt durch die Teenagerseele 2019.

Unbequem ist, nebst den Stühlen, dass ich keine Schülerreaktionen beobachten kann, sondern mir selbst ausgesetzt bin. Das hier ist kein Elternabend, wo es um die beste aller Zukünfte für die Schützlinge geht. Ich kann mich auch nicht wie früher hinter dem Pult verschanzen. Weil vorn nicht die mit Erfahrung stehen, und hinten nicht die sitzen, die für die Zukunft lernen. Sondern hinten sitzen die, die aus der Vergangenheit lernen sollten, von denen vorn, denen die Zukunft gehört.

Tafeldienst haben übrigens Louis und Felix.