by Hanna Wirth
published on 08. February 2024

Mensch kann sich nicht erinnern, doch der Körper bewahrt alles auf, wie in einem Truckli, dass sich trotzdem so leer anfühlt. Eingepackt in so vielen Häuten, aber trotzdem so nackt. Mensch und sein Aussen, der Körper. Sie sind ständig in Bewegung zusammen oder allein. In schwierigen Situationen müssen sie sich vielleicht manchmal aufteilen.

Eingesperrt in einem leeren Truckli von Grossmeer, auf der Suche nach Harmonie und dem eins werden. Sodass alles zu Fliessen beginnt und die Eisschicht langsam auftaut.

Ich weiss, wenn mich Mensch anschreit, merke, wenn Mensch alles runterschluckt. Ich merke, wann ich was in mir verstauen muss, um zu leben, um zu überleben. Ich bewahre alles sorgfältig auf, die Wörter, die man nicht sagen darf, die Sprache, meine Sprache. Alles verpackt in Häuten, die mich so sehr beschützen, aber doch so viele Grenzen aufbauen, die mich einschränken.

Ich spreche viel mit Mensch, fast nie wird mir zugehört. Ich habe so viel zu sagen und zu erzählen. Mensch will nicht, dass ich mit ihm rede. Sein eigener Wille ist oft stärker, aber in vielen Situationen wäre es einfacher, kurz auf mich zu hören. Ich lüge nicht und Mensch könnte so viel lernen und erkennen. Mensch müsste mir nur einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken.

Oft arbeite ich allein, Mensch merkt es gar nicht. In schwierigen Situationen teilen wir uns oft auf. Mensch übergibt mir dann alle Macht. Natürlich übergibt er mir nur unfreiwillig die Kontrolle, weil Mensch die Situation nicht selbst überstehen kann. Ich weiss nur das, was ich gelernt habe, rational kann ich nicht denken. Obwohl, je nachdem, ob das, was ich gelernt habe, rational ist. Mensch arbeitet oft gegen mich, was ich nicht verstehen kann, Mensch glaubt es besser zu wissen.

Mensch und Menschen versuchen mich zu formen, an mir zu schleifen. Sie zaubern mit viel Eismagie. Ich versuche mich dagegen zu wehren und nicht zum Eiskörper zu werden. Ich bin doch nicht da, um zu erstarren, um unsichtbar zu werden, oder sogar um zu verschwinden. Am liebsten würde ich mich verwandeln, fliessen. Ich wünschte, ich könnte eins mit Mensch werden, mich mit ihm versöhnen, zu verfliessen.

Mensch ist mir oft ganz fern, manchmal sogar für Mensch unangenehm fern. Sodass es den Schutz der Häute gar nicht mehr spürt. Mensch will die Sicherheit meiner vielen Häute spüren, doch mir zuzuhören geht gar nicht. Mensch liegt allen in den Ohren, weil er es bei mir nicht aushält. Mensch ist manchmal ganz schön egoistisch.

Ich reagiere sehr stark auf Mensch, was Mensch und Menschen oft sehr wütend oder frustriert macht. Ich zittere in den falschen Momenten, bewege mich in falschen Sprachen, habe zu viele oder zu wenige Häute, die Krampfadern sind nicht richtig, die Haare am falschen Ort, die Zähne zu schwach, die Hände zu klobig, der Bauch zu dick. Doch manchmal bin ich trotzdem das Einzige an Mensch, was noch lebendig ist. Nie ist Mensch mir dankbar, was ich alles noch leisten kann und geleistet habe. Ich bin von Mensch und Menschen gezeichnet und habe auf alles erlebte Zugriff, wenn sich Mensch schon lange nicht mehr erinnern kann.

Unser Körper erzählt Geschichten, eine Geschichte. Wie Kim diesen Prozess beschreibt, auf der Suche nach einer Sprache für unseren Körper, finde ich sehr berührend.

Wie so vieles in unserem Körper gespeichert und verarbeitet wir. Ich merke immer wieder, dass dann so viel über sich erfahren kann, wenn man auf sich seinen Körper achtet. Man muss es «nur» aushalten können und das Heruntergeschluckte ausspucken. Ins Fliessen kommen.